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Unrealistischer Träumer (2/4): Murakami Haruki Rede zur Verleihung des International Catalunya Prize am 11. Juni 2011

Unrealistischer Träumer (2/4)

Murakami Haruki Rede zur Verleihung des International Catalunya Prize am 11. Juni 2011


Es liegt daran, dass die Kirschblüten, Glühwürmchen und farbigen Blätter ihre Schönheit binnen kurzer Zeit verlieren.
Wir besuchen ferne Orte um Zeuge der Pracht des Momentes zu werden.
Wir sehen nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihre Kurzlebigkeit, wir sehen, wie sie ihr Lichtlein verlieren, wir sehen die lebhaften Farben der Blätter verblassen.
Wir spüren auch Entspannung bei diesem Anblick -- wir finden Frieden in der Hochzeit von vorübergehender und verschwindender Schönheit.

Ich weiß nicht, ob Naturkatastrophen diese japanische Mentalität beeinflusst haben.
Aber wir konnten die Reihe der Katastrophen mit einem Gefühl von "so ist es halt" ertragen.
Wir überleben, indem wir all die Zerstörung als Gemeinschaft bewältigen.
Vielleicht verändern diese Erlebnisse unseren ästhetischen Sinn.

Fast alle Japaner sind von diesem gewaltigen Erdbeben erschüttert.
Obwohl wir Erdbeben kennen, erschreckt uns das Ausmaß der jetzigen Zerstörung.
Wir fühlen uns hilflos.
Wir sorgen uns sogar um die Zukunft unseres Landes.

Aber letztendlich werden wir wieder Mut fassen.
Wir werden uns wieder aufrappeln, da mache ich mir keine großen Sorgen.
Wer können nicht für immer im Schock erstarren.
Wir können die kaputten Häuser wieder aufbauen, wir können die zerstörten Straßen instand setzen.

Aber ich habe angefangen, über die Sache nachzudenken.
Wir haben einen Teil dieses Planeten, dieser Erde, nur geliehen ohne um Erlaubnis zu fragen.
Die Erde hat nie so etwas wie "Bitte wohnt hier" gesagt.
Wir können uns nicht beschweren, wenn die Erde ein bisschen bebt.

Hier und heute möchte ich über etwas reden, das schwer zu reparieren ist, nicht über Gebäude oder Straßen.
Wie sieht es zum Beispiel mit unserer Weltanschauung aus, mit unseren ethischen Grundsätzen und unserer Werter?
Sie sind keine greifbaren Dinge.
Sind sie einmal zerstört, so sind sie nur schwer wieder herzustellen.

Ich rede im Besonderen über die Atomkraftwerke in Fukushima.

Wie Sie sicher wissen, sind drei der sechs von Beben und Tsunami beschädigten Reaktoren nicht repariert worden und verteilen radioaktive Abfälle.
Es gab Kernschmelzen.
Das Erdreich in der Umgebung ist verseucht.
Wahrscheinlich ist stark radioaktiv belastetes Abwasser ins Meer entwichen.
Der Wind verteilt Radiaktivität auf ein noch größeres Gebiet.

Fast 100.000 Menschen müssen die Umgebung des Kraftwerks verlassen.
Felder, Viehzuchten, Fabriken, Einkaufszentren und Häfen sind verlassen.
Haus- und Nutztiere sind herrenlos geworden.
Leute, die früher dort gelebt haben, werden vielleicht nie mehr in ihre Häuser zurückkehren können.
Und der Schaden beschränkt sich nicht auf Japan.
Es tut mir wirklich leid, dass unsere Nachbarstaaten auch betroffen sein könnten.

Wie konnte es zu dieser tragischen Situation kommen?
Der Grund ist offensichtlich.
Die Konstrukteure der Reaktoren haben nicht mit einem so großen Tsunami gerechnet.
Diese Region war bereits von ähnlich großen Tsunamis betroffen, sodass es bereits die Anforderung gab, die Sicherheitskriterien der Reaktoren zu überarbeiten.
Der Energieversorger hat diese Anforderungen aber nie ernst genommen.
Weil die Firma profitorientiert ist, hat sie kein Interesse an riesigen Investitionen in Maßnahmen gegen einen großen Tsunami, der nur alle paar Hundert Jahre auftritt.

Die Regierung sollte die Sicherheit von Atomkraftwerken strikt überwachen, aber es scheint, als hätte sie die Sicherheitskriterien aufgeweicht, um ihre Atomenergiepolitik voranzutreiben.

Ich weiß nicht warum, aber die Japaner sind ein Volk von Menschen, die fast nie wütend werden.
Es ist ihre Stärke, geduldig zu sein, aber sie können kaum starke Emotionen ausdrücken.
Das scheint ein Unterschied zu den Leuten in Barcelona zu sein.
Aber ich glaube, dass diesmal selbst die Japaner ernsthaft wütend werden.

Trotzdem müssen wir uns selbst mit einschließen, weil wir ein so verzerrtes System zugelassen oder toleriert haben.
Die jetzige Situation ist eng mit unserer Moral und unseren Werten verbunden.

Wie Sie wissen, sind wir Japaner das einzige Volk das Atombomben erlebt hat.
Im August 1945 haben US-Bomber Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.
Mehr als 200.000 waren sofort tot.
Die meisten Überlebenden starben langsam an den Krankheiten, die die Strahlung der Bomben auslöste.
Wir haben gelernt, wie vernichtend Atombomben sein können und wie Radiaktivität die Welt und ihre Völker zerstört.
Das haben wir aus diesen Opfern gelernt.

Auf dem Mahnmahl für die Atombombenopfer in Hiroshima steht:

"Bitte ruhet in Frieden, wir werden den Fehler nie wiederholen."

Das sind bedeutende Worte.
Sie bedeuten, dass wir gleichzeitig Opfer und Täter sind.

Acknowledgments

Thanks to Daniel S. and Andy K. for working with me on this translation.

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